Nachfolgend eine Reportage der Allgemeinen Zeitung Uelzen / Redakteur Robin Vogt vom 10.12.2018
Den Direktlink zur Veröffentlichung finden Sie hier:
https://www.az-online.de/uelzen/stadt-uelzen/pfandhaus-fuers-auto-orthopaede-oder-bordellbesitzer-statt-bank-gehen-uelzener-kaufmann-10833315.html
Ein Pfandhaus für's Auto: Ob Orthopäde oder Bordellbesitzer, statt zur Bank gehen sie zum Uelzener Kaufmann
Uelzen. Eine unscheinbare große Halle im Gewerbegebiet Fischerhof, davor ein Autohaus mit Ausstellungsraum - ebenfalls nicht sehr auffällig. Hinter den Glasscheiben steht ein VW-Käfer, ein Alfa Romeo Spider und ein Motorrad aus den 70ern – alle sehen aus wie neu.
Dahinter ist ein kleines Büro. Am Schreibtisch mit Laptop, Taschenrechner und brennender Duftkerze sitzt Roland Lenzke. Im Bücherregal hinter ihm stehen Automodelle, an den Wänden hängen Fotos älterer BMW-Tourenwagen. „Ich habe schon immer irgendwas mit Autos gemacht“, sagt Lenzke, seines Zeichens Inhaber des einzigen Autopfandhauses im Kreis Uelzen.
Die meisten, die zu ihm kommen, brauchen einfach unkompliziert und schnell Geld – ein Bankkredit dauert einfach oft zu lange und ist zu aufwendig. „Es läuft dann so, dass ich mich ausführlich mit dem Kunden unterhalte, manchmal merkt man auch, dass er seine Sorgen einfach mal jemandem erzählen will“, erzählt der gelernte Kaufmann. Ist man sich einig, schätzt er den Marktwert des Autos und zahlt das Geld aus.
Die Hälfte des Marktwertes in Euro bekommt der Kunde, Lenzke bekommt dafür Fahrzeugbrief, Fahrzeugschein und alle Autoschlüssel. „Ich bin dann Besitzer des Kfz, aber nicht Eigentümer und dann hat der Kunde ein Vierteljahr Zeit, finanziell wieder auf die Füße zu kommen“, erklärt der Autopfandhausbesitzer. Sollte der Kunde nach einem Vierteljahr sein Fahrzeug noch nicht auslösen können, kann ein Pfandhausbetreiber für weitere drei Monate Aufschub gewähren, muss er aber nicht. „Bei manchen Menschen weiß ich einfach, dass sie das Geld nicht mehr aufbringen werden und dann geht das Auto direkt zum Auktionshaus“, erzählt Lenzke. Es gehöre schon eine gute Portion Menschenkenntnis dazu, diese Entscheidungen zu fällen. Seit acht Jahren betreibt er das Pfandhaus, verdient sonst mit exklusiver Fahrzeugaufbereitung seinen Lebensunterhalt.
Das Prozedere des Geldleihens im Einzelnen regelt das Pfandrecht, was es schon seit dem Alten Rom gibt. Sollte ein Auto nicht wieder ausgelöst werden, ist der Ablauf per Gesetz vorgegeben. „Die Autos werden versteigert, meistens geht das über Online-Auktionen – und oft werden die Autos dann unter ihrem Wert versteigert“, erklärt der Pfandhausbesitzer. An diesen Auktionen kann nicht jedermann teilnehmen, da die Internetauktionen Autohausbesitzern und gewerblichen Autohändlern vorbehalten sind.
„Der Auktionator verdient am meisten, 40 Prozent des Verkaufspreises bekommt er. Der Rest geht dann an mich“, so Lenzke weiter. Für ihn sei das meistens ein Minusgeschäft, weshalb er natürlich schon daran interessiert sei, dass es gar nicht erst soweit komme.
Der Uelzener Pfandleiher hat viele Stammkunden, die mitunter jedes Jahr wiederkommen: „Es gibt zum Beispiel Handwerksbetriebe, die gegen Jahresende dann Forderungen vom Finanzamt bekommen oder saisonbedingt nicht so volle Auftragsbücher haben.“ Verpfändet werde mal ein Laster, mal eine Baumaschine, mal ein Anhänger – und, da die Fahrzeuge zu Saisonbeginn wieder benötigt werden, bekommt Lenzke sein Geld meist pünktlich zurück. Hier verdient ein Autopfandleiher dann an Zinsen und Gebühren. Manchmal steht bei Lenzke aber auch ein Maserati eines Arztes, der gerade ein neues Gerät für seine Praxis kaufen will – mal auch das Cabrio der Ehefrau. Anonymität ist in der Branche oberstes Gebot.
Lenzke hat auch Kunden aus dem Hamburger Rotlichtmilieu: „Wenn die mit ihren edlen Anzügen reinkommen und ihre Bodyguards passen kaum durch meine Bürotür, das ist schon immer wieder eine tolle Show.“ Was sie mit dem Geld machen, weiß Lenzke zwar nicht, aber es interessiert ihn auch nicht. „Da bin ich ganz Kaufmann. Bislang haben die ihren Rolls-Royce immer wieder abgeholt“, sagt er mit einem Lächeln.
Von Robin Vogt